Wenn jeder Schritt sticht: Plantarfasziopathie im Laufsport verstehen – und gezielt vorbeugen

Teil 2 der Serie „Sehnenverletzungen beim Laufen“ 

Fersenschmerz beim Laufen? In diesem Guide erfährst du, warum die Plantarfaszie oft überlastet ist – und mit welcher 7-Minuten-Routine du sie nachhaltig stärkst.

Fersenschmerz beim Laufen? In diesem Guide erfährst du, warum die Plantarfaszie oft überlastet ist – und mit welcher 7-Minuten-Routine du sie nachhaltig stärkst.

Der Schmerz nach dem Aufstehen – ein häufiges Warnsignal

Kennst du das Gefühl, morgens aus dem Bett zu steigen, und es fühlt sich an, als würdest du auf einen Nagel treten? Oder der Longrun ist geschafft, aber die Dusche erreichst du nur humpelnd, barfuß kaum ertragbar? Dann könnte deine Plantarfaszie die Ursache sein. In Teil 2 unserer Serie über Sehnenverletzungen beim Laufen nehmen wir uns diese wichtige, oft unterschätzte Struktur unter der Fußsohle genauer vor – und zeigen dir, wie du sie mit gezieltem Training wieder ins Spiel bringst.

Was ist die Plantarfaszie – und warum wird sie überlastet?

Die Plantarfaszie ist kein Muskel, sondern eine kollagenreiche Bindegewebsplatte (Aponeurose), die vom Fersenbein zu den Zehengrundgelenken zieht. Sie wirkt wie ein elastisches Spannseil, das das Fußgewölbe stabilisiert, Stoßenergie speichert und bei jedem Schritt Kräfte überträgt. Beim Laufen muss sie pro Fußaufsatz das bis zu 2,5-fache des Körpergewichts aufnehmen (1) – ein enormer Job für eine scheinbar unscheinbare Struktur.

Problematisch wird es, wenn durch Mikroverletzungen und fehlende Erholung eine sogenannte Plantarfasziopathie entsteht: eine strukturell veränderte Reizung, meist am Ansatz der Sehne am Fersenbein – typisch spürbar morgens oder nach langen Läufen.

Risikofaktoren – Wer ist besonders gefährdet?

Viele Risikofaktoren lassen sich beeinflussen – und genau hier setzt die Prävention an. Die wichtigsten laut aktueller Forschung (2):

Schwache Fußmuskulatur: Vor allem die kurzen Fußmuskeln entlasten die Faszie – wenn sie trainiert sind (2,4).

Abgesenktes Fußgewölbe / Überpronation: Erhöht die Spannung auf die Sehne bei jedem Schritt (2).

Schlechter Schlaf: Klingt banal, ist aber essenziell. Im Tiefschlaf wird das Wachstumshormon ausgeschüttet, das die Kollagenbildung unterstützt (3).

BMI über 27: Selbst bei sportlich Aktiven ein relevanter Risikofaktor für Überlastung (2).

Plötzlicher Trainingssprung oder schneller Umstieg auf Barfuß-/Minimal-Schuhe: Die Faszie braucht Zeit zur Anpassung (2)l

Bewegungseinschränkungen: Eine eingeschränkte Dorsalextension des Zehengrundgelenks, des oberen Sprunggelenks oder eine verkürzte Wadenmuskulatur wirken sich negativ aus (2).

Achtung: Nicht jeder Fersenschmerz ist gleich

Die Plantarfasziopathie ist häufig – aber sie ist nicht die einzige Ursache für Schmerzen an der Fußsohle. Auch andere Diagnosen wie eine Baxter-Neuralgie, eine Fettpolsteratrophie oder ein Fersensporn können ähnliche Beschwerden verursachen. Eine klare ärztliche Abklärung ist daher unverzichtbar, bevor du ins Training startest.

Was wirklich hilft – laut Studienlage

Die gute Nachricht: Plantarfasziopathie ist behandelbar. Wichtig ist, nicht nur zu schonen, sondern gezielt zu trainieren. Diese Maßnahmen haben sich laut Forschung als besonders wirksam erwiesen:

 

1. Heavy-Slow Resistance Training (HSR)

Langsame, kontrollierte Kräftigungsübungen für die Wadenmuskulatur, speziell mit gebeugtem Knie und gestrecktem Großzehgelenk führten in zwei randomisierten kontrollierten Studien (RCT) zu signifikanten Verbesserungen der Fußfunktion um bis zu 33 Punkte auf dem FFI (Foot Function Index)(5,6). Wichtig: Langsame Wiederholungen (3–4 Sekunden), 8–10 Wiederholungen, 2–3x pro Woche.

 

2. Plantarfaszien-Dehnung (Windlass-Stretch)

Täglich, besonders morgens: im Sitzen die Zehen, insbesondere den großen Zeh, zum Schienbein ziehen. In Studien reduzierte das die Schmerzen innerhalb von 4 Wochen signifikant (7,11).

 

3. Fußmuskeltraining 

Aktives Anheben des Fußgewölbes – ohne die Zehen zu krallen. In einer RCT zeigte sich nach nur 12 Wochen eine signifikante Reduktion der Schmerzstärke und eine verbesserte Fußfunktion (4). Ein stabiler, stärkerer Fuß entlastet die Sehne. Besonders interessant ist der Übertrag auf die Propriozeption – eine bessere Wahrnehmung und Kontrolle des Fußes könnte Überlastungsmuster verhindern. Aus präventiver Sicht ist das sehr sinnvoll.

 

 

4. Nachtlagerungsschienen

Nur bei Beschwerden, die länger als sechs Monate bestehen. Eine Meta-Analyse ergab eine moderate Verbesserung der Symptome in chronischen Fällen (8,13).

 

5. Schlaf & Ernährung – unterschätzte Gamechanger

Ausreichender Tiefschlaf unterstützt die Kollagensynthese und Gewebeheilung (3,9). Zusätzlich kann Kollagen-Hydrolysat mit Vitamin C, 45 Minuten vor dem Training eingenommen, die Sehnensteifigkeit innerhalb von drei Monaten um bis zu 15 % steigern (10). Allerdings sollten diese Ansätze ergänzend gesehen werden: Sie ersetzen keine Training, sondern maximieren die Regenerationsbedingungen.

 

6. Einlagen: Stütze für den Übergang – aber kein Ersatz fürs Training

 

Orthopädische Einlagen können den Fuß entlasten – vor allem bei akuten Beschwerden oder viel Stehen im Alltag. Sie helfen jedoch nur kurzfristig gegen Schmerz (14). Auf Dauer ersetzen sie kein aktives Training. Deshalb gilt: Einlagen nur als temporäre Maßnahme – und unbedingt kombiniert mit gezieltem Kraft- und Funktionstraining.

Die 7-Minuten-Routine für starke Fußsohlen

Du möchtest deinen Füßen täglich etwas Gutes tun – und das zeitsparend? Dann ist diese Routine für dich. Voraussetzung: keine akuten starken Schmerzen (>3/10) und vorherige ärztliche Abklärung.

Übung

Dauer

Ziel

Windlass-Stretch

1 Min

Dehnung der Plantarfaszie

Foot-Core (Großen Zeh aktiv anheben)

1 Min

Aktivierung kurzer Fußmuskeln

Tibialis Posterior Raises

2×30 Sek

Stabilität im Mittelfuß

Extended Toe Heelraises – HSR

2×10 Wdh

Kräftigung & kontrollierte Belastung

Short Foot + Einbeinstand

1 Min

Propriozeption & Gewölbestabilität

Gesamtdauer:
7 Minuten – ideal morgens oder vor dem Lauf.

Fazit: Die Plantarfaszie braucht Zug – nicht Schonung

Plantarfasziopathie ist kein „kaputtes“ Gewebe, das man schonen muss – sondern eine Struktur, die auf kontrollierten Zug mit Anpassung reagiert. Genau hier kommt die moderne Physiotherapie ins Spiel: Statt bloßem Tapen oder ausschließlich passiven Anwendungen, braucht es ein gezieltes Belastungsmanagement, funktionelles Training und die Fähigkeit der Betroffenen, aktiv Verantwortung für ihre Heilung zu übernehmen. Die Studienlage bestätigt: Wer trainiert statt schont, kommt schneller zurück auf die Laufstrecke – und oft sogar mit besserer Fußkraft und ökonomischerem Laufstil.

Was meinst du zu diesem ganzheitlichen Trainingsansatz gegen Fersenschmerz? 
Teile diesen Artikel gerne via Social Media und lass uns deine Meinung dazu wissen. Wir freuen uns auf dein Feedback.

Quellen
  1. Wearing SC, et al. (2006). Plantar fascia loading in running. J Biomech.
  2. Rasenberg N, et al. (2020). Risk factors for plantar heel pain. Br J Sports Med.
  3. Abdollahpour I, et al. (2021). Sleep and tendinopathy: A narrative review. Sleep Med Rev.
  4. Mulligan EP, et al. (2013). Intrinsic foot muscle training: RCT. Foot Ankle Int.
  5. Rathleff MS, et al. (2014). High-load strength training vs. plantar-specific stretching. Scand J Med Sci Sports.
  6. Riel H, et al. (2019). HSR for plantar fasciopathy. Am J Sports Med.
  7. DiGiovanni BF, et al. (2003). Plantar fascia-specific stretching improves outcomes. J Bone Joint Surg Am.
  8. Thomas JL, et al. (2012). Night splints for plantar fasciitis: A meta-analysis. J Foot Ankle Surg.
  9. Dideriksen K, et al. (2020). Sleep and tendon health. Front Sports Act Living.
  10. Clifford T, et al. (2021). Collagen supplementation improves tendon properties. Am J Clin Nutr.
  11. Lee et al. (2019) „Effects of short foot exercises on pain and function in patients with plantar fasciitis: A randomized controlled trial“ Medicine (Baltimore). 2019;98(21):e15475.
  12. van Leeuwen et al. (2016) Higher body mass index is associated with plantar fasciopathy/’plantar fasciitis‘: systematic review and meta-analysis of various clinical and imaging risk factors
  13. Bendo A, et al. (2023) „Night Splints in Plantar Fasciitis: A Systematic Review.“ Muscles, Ligaments and Tendons Journal2 (2023): 283-289.
  14. Whittaker GA, et al. (2018) Foot orthoses for plantar heel pain: a systematic review and meta-analysis. Br J Sports Med. 2018 Mar;52(5):322-328. doi: 10.1136/bjsports-2016-097355. Epub 2017 Sep 21. PMID: 28935689.

Termin buchen

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner